LITERATUR Nicht weil die Geschichte die erzählt wird mich angeht, nicht weil dabei etwas als Lehre verwertbar erscheint, oder ich dem Historismus zugetan bin. Nein, es ist wegen dem, was die Sätze des Marcel Proust in der Übersetzung von Walter Benjamin mir antun. Sie nehmen mich mit in einen Raum ohne Etikett und Nummer, – an einen Unort aus der Zeit gefallen, in dem die Gravitation des eigenen Inneren spürbar wird. Proust lesen!
Verfolge ich dann weiter von drinnen nach draußen das gleichzeitige Nebeneinander der Zustände in meinem Bewußtsein (jedoch noch diesseits des Horizontes bleibend, der sie begrenzte), dann finde ich Genüsse von anderer Art, etwa, daß ich gut saß, den guten Geruch der Luft spürte, nicht durch einen Besuch gestört wurde und daß ich, wenn die Uhr am Glockenturm von Sankt-Hilarius schlug, die schon verbrauchten Teile des Nachmittags Stück für Stück fallen sah, bis ich den letzten Schlag hörte: dann erst zog ich die Summe, und die diesem letzten Schlage nachfolgende lange Stille schien im blauen Himmel den Tagesabschnitt zu eröffnen, der mir zum Lesen noch vergönnt war, nämlich bis zu dem guten Abendessen, das Françoise zurüstete und das mich von den Mühen wiederherstellen sollte, die ich während der Lektüre des Buches im Gefolge seines Helden bestanden hatte.
aus: „Auf den Spuren der verlorenen Zeit, Der Weg zu Swann“, erster Band Übertragung von Rudolf Schottenlaender
In den Bänden der „Verlorenen und wiedergefundenen Zeit” springe ich, lese ich, sobald ich den Kontakt verliere, an anderer Stelle neu gefesselt weiter. Besonders das kleine Oktav-Format „Im Schatten der jungen Mädchen “, aus dem Verlag der Schmiede von 1926, als äußerst sperrig vom Antiquariat ausgehändigt, erfreut die Sinne mit in den Händen wiegbarem Wohlmaß der Buchkunst.