Lose platziert

Ich hat­te einst die Erwar­tung das es etwas Umfas­sen­des sein könn­te, nicht nur für mich und Kunst­schaf­fen­de, son­dern auch für die Gesell­schaft. Aber die Ent­wick­lung geht wohl in eine ande­re Rich­tung, – die bereits in den 60er Jah­ren durch Ador­no vor­ge­dacht wur­de. Die her­bei refe­rier­te Auto­no­mie der Kunst kann man sich als Möbi­us­bands vor­stel­len, – als unter­halt­sa­me Form sich im Kreis zu bewe­gen, auf der Suche nach etwas Neu­em. Dabei macht die Kunst auch heu­te das, was mit Ihrer Hil­fe schon immer gemacht wur­de. Sie macht unsterblich.

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Sobald das Objekt im Muse­um ist, wird es zu Kunst. Es wird mit Bedeu­tung auf­ge­la­den, akku­mu­liert Bewer­tun­gen und Kom­men­ta­re. Duch­amp hat das Prin­zip als ers­ter erkannt. Vie­le Kunst­schaf­fen­de dich­ten ihren Wer­ken alles Mög­li­che an, das sie für wich­tig hal­ten. Für Bie­nen, gegen links, rechts, oben, unten, für oder gegen Refu­gees, ein­fach nur das, womit die Kunst­hül­se gela­den wer­den soll. Der Schuss geht meist nach hin­ten los, und das Werk rutscht samt Kunst­schaf­fen­den vom Tritt­brett der Aktualität.

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Es soll­te sich ein Kunst-Raum ent­wi­ckeln, der es ermög­licht die Fra­gen zu stel­len, die auch in der Phy­sik, Mathe­ma­tik und Phi­lo­so­phie in Zusam­men­klang zu einer Theo­rie der Welt füh­ren, die mit den Begrif­fen der Schön­heit, Wahr­heit und Ver­wert­bar­keit gemes­sen wer­den. In der Kunst wird Pro­gres­si­on nur durch ein »Kunst für die Kunst« bear­beit­bar, kei­nes­falls durch Instru­men­ta­li­sie­run­gen; – eben­so­we­nig wie sich die Phy­sik durch eine Astro­lo­gie-Anwen­dung zur neu­en Erkennt­nis­sen ent­wi­ckeln ließe.

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Einst Eli­ten vor­be­hal­ten und äußerst rar weil auf­wen­dig, ent­steht heu­te durch nied­rig­schwel­li­ge Zugän­ge, ein­fachs­te Hand­ha­bung und aus­ge­brei­te­te Bil­dung eine unvor­stell­ba­re Men­ge von Text. Tex­te die nicht als Mani­fes­tie­rung von Reflek­tier­ten gedacht sind, son­dern als For­mu­lie­rung die unmit­tel­bar nach ihrer Frei­set­zung als ver­derb­li­ches Sinn­bild sei­ner Zeit in den Strö­men ver­sinkt. Die Schich­ten der Texts­edi­men­te lagern sich digi­tal in Spei­chern ein, unsicht­bar, unles­bar ohne eben die­sen zeit­fi­xier­ten tech­ni­schen Kon­text. Nur rele­van­te Gedan­ken und die schöns­ten Gestal­tun­gen durch­drin­gen die­se Bar­rie­re aus stän­dig wech­seln­den neu­en Medi­en. Für alles ande­re kommt es einer Aus­lö­schung gleich.

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Es gibt nicht nur die­sen Kunst­be­trieb der zwi­schen Kli­schee­ver­län­ge­run­gen und Bedeu­tungs­fin­dung durch Medi­en­ran­king die öffent­li­che Auf­merk­sam­keit bean­sprucht. Nein, kunst­vol­le Lebens­li­ni­en wer­den ent­ge­gen medi­al gehyp­ter Auf­re­ger noch und wie­der mit einem gestärk­ten Selbst­ver­ständ­nis gezeich­net. So fin­det auch die stets aktu­el­le Fra­ge nach der Auto­no­mie der Kunst in der gemein­sa­men Betrach­tung von Autoren und ihren Wer­ken in Rela­ti­on: Nur so frei, wie Kunst­schaf­fen­de frei sein können.