ABOUT. Die Tante aus Murnau mochte wohl meinen Vater sehr gerne, meine Mutter schien sie nur zu dulden. Sie machte nur verwackelte Fotos, kam wohl vom Zittern ihre Hände und manchmal wurde sie von ihrer Schwester bei ihren Visiten begleitet. Immer dann hatte ich diese gestrickten kurzen roten Hosen zu tragen, sicher weil meine Eltern ihre guten Sachen als Gastgeber trugen und das wollig Rote sich gut auf den ersten Farbaufnahmen machen sollte, so der Gedanke dahinter, vermute ich. Heute unken Kreativitätsforscher eine traumatische Prägung als eine von den Ursachen für eine Künstlerbiografie herbei; so wolle die erschütterte kindliche Seele im bildnerischen Tun Heilung erfahren.
Das die surreale Szene zu umherschweifenden Gedanken führte, steht heute außer Zweifel. In wiederkehrenden Träumen, häufig in der zweiten Nachthälfte, aber noch weit vor Sonnenaufgang, wollte sich eine tetragonale Struktur visualisieren. Wie alle zeitgenössischen Erklärmodelle von einer Singularität ausgehend, drängten körperlose gleichlange Stäbchen, zuerst zu Dreiecken und in der logischen Konsequenz zu sich stetig mehrenden Tetraedern, die zu einer äußerst soliden und transparenten Struktur anwuchsen. Aus der Vorstellung drängt die invasive Gedanken-Struktur in eine Materialisierung, sei es ein digitales Vorab als interaktive 3D Datei, als Holzmodel, erstanden aus verklebten Schaschlickstäbchen, gelötet als wertiges Messingobjekt, was mir am besten gefiel oder aus Nägeln verschweisst, ohne Kappe, was wohl die wahrscheinlichste Variante darstellt, weil ich derartiges vor Jahren schon einmal gemacht hatte. So begehrenswert -, aber es soll schön gemacht sein, in der Dimension wie drei Pfund Brot etwa, ein formidables Tischobjekt mit grundsätzlicher Aussage über das Wesen des Raumes. Ein wahrlich würdiges Meisterwerk der Bildhauerei, bestens geeignet ein angedichtetes Defizit zu belegen.